Sportverein kämpft gegen Pfunde

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Eine Gruppe übergewichtiger Kinder absolviert ihr wöchentliches Sportprogramm bei junior marvelesse. Mit ihrer Leiterin lassen sie ein großes Tuch schwingen. Foto: HA

Im Mai startet der Ahrensburger TSV das neue Trainingsprogramm „Junior Marvelesse“ für Mädchen und Jungen mit Übergewicht.

Ahrensburg. Jedes sechste bis siebte Kind im Alter von drei bis 17 Jahren ist in Deutschland laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts übergewichtig, mehr als ein Drittel von ihnen leidet unter Fettleibigkeit. Die Tendenz ist steigend. Viele Mädchen und Jungen sind bereits bei ihrer Einschulung zu dick. Nach Angaben des kinder- und jugendärztlichen Dienstes des Kreises haben im Schuljahr 2009/10 in Stormarn 10,4 Prozent der 2128 Einschüler zu viel gewogen. 2006 waren es lediglich sechs Prozent gewesen. Das entspricht einem Anstieg von 73 Prozent. Der Ahrensburger Turn- und Sportverein (ATSV) will deshalb ab sofort übergewichtige Kinder mit einem speziellen Trainingsprogramm zum Abnehmen bewegen.

Das Konzept heißt junior marvelesse und richtet sich an Mädchen und Jungen im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Es wurde von dem Segeberger Arzt Dr. Michael Emken entwickelt und sieht eine zwölfmonatige Begleitung der Teilnehmer vor. Das Programm wurde bereits an mehreren Standorten in Schleswig-Holstein getestet, mit unterschiedlichem Erfolg: „Etwa ein Drittel der Kinder nimmt in dem einen Jahr gut ab“, sagt Frank Rohwedder, Geschäftsführer von junior marvelesse. Ein weiteres Drittel halte das Gewicht und feiere später Erfolge. „Den Rest erreichen wir leider nicht“, sagt er. Der Grund dafür sei meistens eine mangelnde Unterstützung in der Familie. Rohwedder: „Sie muss hinter dem Trainingsprogramm stehen. Die besten Erfolgsaussichten haben wir, wenn die Eltern sich entscheiden, beim Abnehmen gleich mitzumachen.“

Die Kinder treffen sich einmal pro Woche, um 90 Minuten Sport zu treiben. „Anfangs trainieren wir viel Kraft und Ausdauer, damit sich die Muskelmasse der Kinder erhöht und ihr Energieverbrauch steigt“, sagt Rohwedder. „Das hilft bei der Gewichtsabnahme.“ Generell sei es ihnen wichtig, dass die Teilnehmer in den zwölf Monaten möglichst viele Sportarten kennenlernen, zum Beispiel Fußball, Handball, Volleyball und Tischtennis. Ziel sei es, dass die Kinder eine der Sportarten für sich entdecken und auch nach Abschluss des Programms dabei bleiben. Am Anfang und Ende des Kurses absolvieren die Kinder einen Fitnesstest, bei dem die Koordinationsfähigkeit überprüft wird. Rohwedder: „Oft stellen wir in diesem Bereich nach einem Jahr eine starke Verbesserung fest.“

Nach jeder Trainingseinheit steht für die Kinder eine Stunde Theorie auf dem Programm. Dabei wird ihnen medizinisches Wissen vermittelt und ihre soziale Kompetenz sowie das Selbstwertgefühl gestärkt. Bei einer Ernährungsberaterin lernen sie zudem, wie viel Fett in welchen Lebensmitteln und Getränken steckt und wie sie mit Süßigkeiten umgehen sollten. Auch die Eltern werden dabei in die Pflicht genommen. „Häufig ist bei ihnen viel Wissen über gesunde Ernährung vorhanden, aber sie können es nicht umsetzen“, sagt Rohwedder. So würden viele Eltern zwar auf gesundes Essen achten, ihren Kindern aber Cola zu trinken geben.

Zudem gebe es häufig Konflikte, weil die Eltern ihren Kindern befehlen wollen, was sie essen. Dadurch würden diese sich aber häufig erst recht gegen das gesunde Essen sträuben. Bei Kochnachmittagen stellen die Eltern deshalb gemeinsam mit ihren Kindern Menüs zusammen. Rohwedder: „Wichtig ist das gemeinsame, bewusste Essen, für das sich die ganze Familie Zeit nehmen sollte. Der Fernseher darf nicht nebenbei laufen und der Vater sollte auch nicht während des Essens Zeitung lesen.“ Bei wöchentlichen Informationsabenden lernen die Eltern, was sie beachten müssen. „Wir wollen sie zu Co-Trainern ausbilden“, sagt Rohwedder.

Die Kinder arbeiten bei dem Programm mit einem Punktesystem. Für bestimmte Leistungen, wie zum Beispiel einen Tag ohne Fastfood, ein Frühstück mit einer Portion Obst und Gemüse oder mehr als 30 Minuten Bewegung, bekommen sie einen Punkt. „Maximal können die Kinder 42 Punkte pro Woche erreichen. Wenn sie 22 Punkte geschafft haben, ist es für sie eine erfolgreiche Woche“, sagt Rohwedder. „Wir wollen nicht nur mit Verboten arbeiten, denn die Kinder müssen auch Spaß an dem Programm haben. Sonst wird es für uns sehr schwierig, etwas zu erreichen.“ (jd)

Quelle: Hamburger Abendblatt/Stormarn vom 24.04.2012

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